Mathias Hasselmann

CO₂ und der Markt

Dies möge ein lebendiges Dokument sein, welches ich hoffentlich immer wieder mal um eigene Einsichten ergänzen werde.

Verbote, massive Markteingriffe können immer nur eine Ultima Ratio sein, und zwar dann, wenn sich herausstellt, dass vermeintliche Märkte doch nicht so flexibel und symmetrisch sind, wie erhofft; wenn sich herausstellt, dass das effizienteste Verhalten am Markt negative gesellschaftliche Auswirkungen hat.

Die Probleme mit ETS

Für das 1,5°C-Ziel hätten wir noch acht Jahre Zeit. Bis dorthin muss unsere CO₂-Bilanz komplett ausgeglichen sein. Hier nun zu warten, dass der Markt hoffentlich und von alleine wirksame Preise entwickelt, halte ich am freundlichsten formuliert für riskant. Die IPCC-Berichte fassen als wissenschaftlichen Konsens zusammen, dass wir einen CO₂-Preis von 135€ erreichen müssen, damit unsere Emissionen schnell genug sinken. Im Klimainstitut Potsdam geht man sogar von 180€ aus. Der ETS-Preis lag über Jahre stabil bei 5€, ist dann 2018 durch politische Eingriffe rasant auf 25€ gestiegen und ist seit April dieses Jahres mit Ausreißern wieder in der Seitwärtsbewegung. Wenn wir jetzt vollkommen richtig damit anfangen, klimaschützendes Verhalten, wie Aufforstungen, Wiederherstellung von zu Mooren belohnen, dies aber per Zertifikatsausgabe regeln, dann haben wir statt der notwendigen Marktverknappung ein wachsendes Angebot. Ein wachsendes Angebot senkt die Preise. Der Anreiz, CO₂ zu sparen sinkt.

Das andere Problem mit Zertifikatshandel: Wir werden auf vorhersehbare Zeit beträchtliche Mengen CO₂ emittieren; alleine da wir Essen, Zement verbauen, Chemie betreiben, ... Es gibt schlichtweg einen Sockel unvermeidbarer CO₂-Emissionen, für die wir als Bevölkerung auf Dauer bezahlen werden. Wo wandert dieses Geld hin? Zu jenen, die in der Lage sind, CO₂ zu absorbieren. Also zu Waldbesitzern und Aktionären. Der Effekt eines Zertifikatshandels ist also klassisch neoliberales Sozialisieren der Kosten und Privatisieren der Gewinne. Also genau dieser Kardinalfehler der letzten Jahrzehnte, der die Gesellschaft trotz allgemein steigenden Wohlstandes auseinander dividiert. Die Ärmsten mit dem ineffiziente Auto, dem ineffiziente Kühlschrank von der Resterampe bezahlen uns Wohlhabenden das grüne Gewissen. DAS GEHT SO NICHT, wenn wir gesellschaftliche Brüche reparieren wollen. Für genau eine derart finanzierte Energiewende werden Linke und Populisten uns vollkommen zurecht kritisieren, angreifen, spalten. Das sind Kosten die über die fiskalen Kosten hinaus berüchsichtigt werden müssen. Eine Erkenntnis übrigens, die Dr. Merkel seit Jahrzehnten bei jeder Gelegenheit predigt, doch offenbar hört ihr selbst in der eigenen Partei niemand so richtig zu.

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